Die Gründungsgeschichte

Vorgeschichte

Nach der stürmischen Phase des Wiederaufbaus der durch den Krieg zerstörten Städte trat gegen Ende der 60er Jahre eine gewisse Beruhigung ein. Allmählich erkannte man, dass das Neugeschaffene nicht immer gut war. Charakteristische Bauwerke, ganze Innenstädte und altehrwürdige Patrizierhäuser, die Zeugen historischer Vergangenheit und Kultur, hatten nicht nur schwere Schäden durch Bomben und Granaten erlitten, sondern waren zum Großteil dem Rausch einer Neugestaltung von Städten und Verkehrswegen zum Opfer gefallen.

Aus Mangel an Erfahrung mit dem Umgang historischer Bausubstanz und aus Begeisterung über neue Baustoffe wurden vorhandene Baudenkmale so restauriert, dass schon nach kurzer Zeit wieder schwere Schäden auftraten und man sich ernstlich überlegte, ob es nicht besser sei, diese alten Bauten durch moderne Neubauten zu ersetzen. Der Bedarf an Wohnraum, der Zwang zum Aufbau hat in den Nachkriegsjahren deshalb vielerorts mehr zerstört als der Krieg. Oft wurden die Gesetze des Neubaus auf die Restaurierung übertragen. Das musste zwangsläufig zu Fehlschlägen führen.

Isartor
Isartor in München: Zeichnung von E. Bromm, Gründungsmitglied der WTA

Eine ähnliche Gefahr drohte auch nach der Wiedervereinigung beim Aufbau Ost. Sicher ist in vielen Fällen die Restaurierung eines alten Bauwerks und dessen Anpassung an modernen Wohnkomfort teurer als ein Neubau aus Fertigteilen. Das darf aber nicht so weit führen, dass man die jeweiligen Städte nur noch an ihren unterschiedlichen Ortsschildern erkennt. Die Eigenart einer Gemeinde ist Heimat und Kulturgut zugleich. Beides muss erhalten bleiben.

Aus dieser Erkenntnis über die zweite neuerliche Zerstörung unserer Städte, aus dem Gefühl für heimatgebundenes Bauen und aus dem Wissen im Umgang mit neuen Baustoffen fand sich ein Kreis von Wissenschaftlern, Sachverständigen, Technikern und Praktikern in München. Diese Gruppe von Gleichgesinnten kannten sowohl die Vorteile, aber auch die Gefahren, welche durch den Einsatz neuer Baustoffe entstehen können. Man diskutierte, hinterfragte, suchte nach Lösungen und fand Antworten.

Gründungsgeschichte des Vereins

Im Jahr 1969 besuchte das spätere 1. Ehrenmitglied der WTA, Prof. Dipl.-Ing. H. E. Schubert (TU München) zusammen mit seinem wissenschaftlichen Assistenten Dipl.-Ing. D. Schumann eine Tagung über Elektro-Osmose in Wien. Nach drei Tagen geduldigen Zuhörens war den beiden Herren klar geworden, dass die dort vorgetragenen Theorien jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrten. Prof. Schubert bat deshalb die wissenschaftlichen Mitarbeiter seines Institutes, sich verstärkt den Problemen der Bauwerksanierung zu widmen. Sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. F. Wittmann beschäftigte sich von dieser Zeit an mit der Erforschung des Phänomens der Elektro-Osmose.

Im gleichen Jahr lud das Hochbauamt der Landeshauptstadt München zwei Assistenten des Lehrstuhls für Baustoffkunde und Werkstoffprüfung der TU München zu einem Lokaltermin zum Isartor. Dieses damals recht marode Baudenkmal sollte nach den Vorstellungen der Stadtverwaltung bis zu den Olympischen Sommerspielen im Jahr 1972 in neuem Glanz erstrahlen. Dipl.-Ing. Schumann, der sich schon damals mit der Technologie von Spezialmörteln für die Bauwerksanierung beschäftigte, riet zu diesem Zeitpunkt dringend von einer Sanierung ab. Er regte an, das Vorhaben um etwa zehn Jahre zu verschieben. Man hörte nicht auf diesen Rat, sondern schaltete eine polnische Sanierungsfirma ein, welche sich sofort ans Werk machte und das Bauwerk neu verputzte. Leider sah das Objekt bereits zu den Olympischen Spielen genauso erbärmlich aus wie drei Jahre zuvor.

Die eigentliche Geburtsstunde der WTA war ein völlig missglücktes Seminar im Bauzentrum München, welches im Sommer 1976 ein Nürnberger Sachverständi-ger zum Thema "Wasser, der Feind unserer Bauten" im Auftrag des DHBV hielt. Nachdem die Ausführungen dieses Herrn in den Unmutsäußerungen der Zuhörer untergegangen waren, fand sich unter den Zuhörern ein kleiner Kreis von wirklichen Fachleuten, welcher spontan das Organisationskomitee "Münchner Kreis   e. V." ins Leben rief. Man war sich dahingehend einig, dass solch eine blamable Veranstaltung nie wieder stattfinden dürfe. 

Auf Einladung des Organisationskomitees "Münchner Kreis e. V." trafen man sich am 15. Dezember 1976 unter dem Vorsitz von Herrn Dr. Helmut Weber in der Gaststätte "Eulenspiegel" in München zur Gründungsversammlung. Es waren damals noch sechs weitere Teilnehmer erschienen; offensichtlich jedoch nur zu dem Zweck, die Gründung eines derartigen Vereins zu verhindern. Erst nachdem einige wieder gegangen waren, konnte die Vereinsgründung störungsfrei durchgeführt werden.   

Herr Dr. Weber wurde zum Versammlungsleiter bestimmt. Er gab eine kurze Erklärung über Art und Belange der Versammlung und über die Zielsetzung des zu gründenden Vereins ab. Ferner stellte er fest, dass die Zahl der anwesenden Mitglieder zur Gründung eines Vereins ausreichte, welche im Anschluß einstimmig beschlossen wurde. Danach wurde die vorliegende Satzung von allen Mitgliedern diskutiert. Mit Stimmenmehrheit wurde zunächst der Name des Vereins "Münchner Kreis, wissenschaftlich technischer Arbeitskreis e. V." beschlossen. Die Gründung der technischen Referate wurde zwar beschlossen, deren Beset-zung jedoch vertagt.

Am 14. März 1977 fand eine weitere Mitgliederversammlung statt, zu welcher alle elf Gründungsmitglieder des Vereins erschienen waren, um über die inzwischen überarbeitete Satzung und den endgültigen Namen des Vereins zu beschließen.

Die Anwesenden entschieden sich nach längerer Diskussion für den Namen "Wissenschaftlich-technischer Arbeitskreis für Denkmalpflege und Bauwerk-sanierung e. V.". Die vorgetragene Satzung fand die Zustimmung aller Mitglieder, welche damit gleichzeitig ihre Mitgliedschaft bestätigten.

Drei Monate später, am 22.  Juni 1977 wurde der

              "Wissenschaftlich-Technische Arbeitskreis für Denkmalpflege und Bauwerksanierung e. V."

gemäß den Beschlüssen der Mitgliederversammlung vom 14. März 1977 unter der Nummer 9062 in das Vereinsregister des Amtsgerichts München eingetragen. Damit war die Gründung des WTA aktenkundig vollzogen.

Ein Jahr später, im Frühjahr 1978 entsann man sich beim Hochbauamt der Landeshauptstadt München an die Ratschläge des ehemaligen wiss. Assistenten der TU München, Dipl.-Ing. D. Schumann, aus dem Jahr 1969. Nach diversen Ortsbesichtigungen, in welche fast alle der damaligen WTA-Mitglieder involviert waren, kam es zu einer weiteren Sanierung dieses Bauwerkes, diesmal jedoch unter fundierter wissenschaftlicher Überwachung. Es wurden gezielt Proben aus dem Mauerwerk entnommen und untersucht. Für einige Wandbereiche, wo die Struktur des Mauerwerkes sichtbar erhalten bleiben sollte, wurden von Dipl.-Ing. Schumann spezielle Schlämmputze entwickelt, welche nur an diesem Objekt zum Einsatz kamen. An anderen Wandbereichen wurde Sanierputz eingesetzt, den es damals auch erst seit zwei Jahren im Handel gab. So lässt sich sagen, dass das Isartor in München quasi das Pilotprojekt des neugegründeten WTA darstellt und auch heute noch vorzeigbar ist. Die letzte Sanierung hat nunmehr 18 Jahre schadlos überdauert.

H. Ramesohl und D. Schumann

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